Hellebarden-Verbot für Dettling und Co.: Bundeskanzlei weist die SVP zurecht
Ein Mann mit weissem Hemd und hochgekrempelten Ärmeln spiesst die EU-Verträge auf: Im Juni zelebrierte SVP-Präsident Marcel Dettling mit einer Hellebarde auf dem Rütli den Widerstand gegen die neuen EU-Verträge.
Das Bundesmedienzentrum in Bern ist kein mythischer Ort. Dennoch schleppte die SVP am Montagmorgen auch dorthin zwei Hellebarden in den Konferenzsaal, in dem sie den Medien ihre Vernehmlassungsantwort zum rund 2000 Seiten umfassenden Vertragswerk präsentierte.
Nicht alle freuten sich an der geplanten Inszenierung mit den antiken Waffen, mit denen die Eidgenossen einst die Habsburger verjagten. Auf Geheiss der Bundeskanzlei musste die SVP die Hellebarden wieder hinaustragen. Peter Keller, Historiker und stellvertretender Generalsekretär der Partei, kritisiert das Hellebarden-Verbot. Der frühere Nationalrat fragt sich, ob bei Presseterminen im Bundesmedienzentrum bald die Redetexte vorgelegt werden müssen – und ob eine Pflicht zur Langeweile bestehe.
Bundeskanzler Viktor Rossi verteidigt die Intervention:
Gestattet sind einzig Projektionen auf die Grossleinwände sowie Plakatständer im Foyer des grossen Medienkonferenzsaals», sagte er auf Anfrage von CH Media. Dies sei im Reglement über das Medienzentrum festgehalten. Immerhin brauchte die SVP keinen Polizeieinsatz zu fürchten. Das Mitführen antiker Waffen ist legal, solange damit keine Personen bedroht werden.
Im Kleinformat fand die Hellebarde dann doch noch ihren Weg an die Medienkonferenz. Alle SVP-Vertreter trugen einen kleinen Pin mit der Waffe, verziert mit einem Schweizer Kreuz.
Aufgebot einer Fussballmannschaft
Den Widerstand gegen den «Unterwerfungsvertrag», wie ihn die SVP nennt, dokumentierte die Partei mit einem Grossaufgebot. Neun Nationalräte und zwei Nationalrätinnen legten dar, welche Fallstricke das EU-Paket aus ihrer Sicht in den einzelnen Bereichen enthält. Dieses Vertragsmonster gefährde den Wohlstand und zerstöre das Schweizer Erfolgsmodell, führte Fraktionschef Thomas Aeschi einleitend aus. Die Vernehmlassungsantwort der Partei umfasst nicht weniger als 200 Seiten.
Als Hauptproblem bezeichnete Nationalrätin und Ems-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher die Übernahme von «fremden Recht und fremden Richtern», also den institutionellen Teil: «Bei der Inkraftsetzung übernehmen wir 20'000 Seiten EU-Erlasse und in Zukunft alles, was die EU in unseren fundamentalen Lebensbereichen Personenverkehr, Landverkehr, Lebensmittel, Gesundheit etc. beschliessen wird», sagte sie.
FDP verzeichnet Eintritte und Austritte
Der Thurgauer Nationalrat Pascal Schmid gab zu bedenken, dass mit Anpassungen bei der Personenfreizügigkeit schon nach fünf Jahren Aufenthalt ein Daueraufenthaltsrecht installiert werde. Schon mit einem Pensum ab 40 Prozent gelte man als erwerbstätig. Schmid warnte, dank des grosszügigeren Familiennachzugs könnten in Deutschland eingebürgerte Syrer, die in die Schweiz einwandern, bald ihre Grossfamilie aus der Heimat einfliegen.
Bleibt die Frage, ob nach dem Ja der FDP-Delegierten zu den EU-Verträgen und ihrem Nein zum Ständemehr bereits enttäuschte Freisinnige zur SVP wechseln. SVP-Präsident Marcel Dettling deutete dies gegenüber der «NZZ am Sonntag» an, und in den sozialen Medien kursierten entsprechende Befürchtungen. FDP-Co-Präsident Benjamin Mühlemann teilt mit, bis Montagmittag seien bloss vereinzelt Austritte eingegangen. Umgekehrt habe es aber auch einzelne Eintritte gegeben. Und: «Bei der FDP Schweiz haben wir sehr viele und fast ausschliesslich positive Rückmeldungen zur Delegiertenversammlung erhalten.» (aargauerzeitung.ch)